Sein Talent an der Gitarre wurde in Saarbrücken entdeckt und gefördert. Heute lebt der Flamenco-Künstler Michio Woirgardt in Düsseldorf und arbeitet viel für Theater und Ballettensembles. So kehrt er auch vorübergehend in seine Heimat zurück. Er komponierte die Musik fürs neue Tanzstück von Stijn Celis, das am Sonntag Premiere hat.
. Katholizismus, Bigotterie, Ehre, mühsam gebändigte Leidenschaften, Kleingeistigkeit, Enge – im Süden Spaniens herrscht kein wohlfühliges Klima. Jedenfalls nicht in „Bernarda Albas Haus“, der neuen Tanzproduktion am Saarländischen Staatstheater (SST), die Ballettdirektor Cijn Stelis nach Federico Garcia Lorcas gleichnamiger Tragödie konzipiert (SZ vom 28. April). Choreografie, Bühnenbild und Kostüme fallen streng aus – da will auch die Musik die beklemmende Atmosphäre spiegeln: Der Flamencogitarrist Michio Woirgardt hat elektronische Sounds komponiert, deren Flamenco-Beats jedoch bis zur Unkenntlichkeit kaschiert sind.
Woirgardt wird die Vorstellungen live begleiten und fungiert dabei quasi als Ein-Mann-Orchester. Mittels eines Loop-Geräts spielt er verschiedene Instrumente ein, verfremdet sie am Rechner und kombiniert sie mit Stimme, Atemgeräuschen und Samples – und rhythmisch gelooptem Klebestreifen mit Pingpong-Delay – zu einem einzigartigen Soundtrack. „Ich komponiere sehr viel für zeitgenössisches Tanztheater, sowohl an großen Häusern wie für die freie Szene. Letztere ist sehr elektronisch geprägt, und da bin ich voll drin“, erzählt der gebürtige Saarbrücker, Jahrgang 1971. Seit 2001 lebt er in Düsseldorf, wohin es ihn wegen seiner Frau, einer Tänzerin und Choreografin, verschlug. Nun ist er vor Ort, um die Endproben zu begleiten.
Es ist kein Zufall, dass der Auftrag an ihn ging. Woirgardt hatte sich im vergangenen Jahr initiativ für die Produktion beworben und brachte beste Referenzen mit: Hatte er doch „Das Haus der Bernarda Alba“ bereits 2004 als Ballett vertont, wenn auch musikalisch völlig anders, fürs Staatstheater Darmstadt – zugleich seine erste größere Arbeit für die Tanzbühne. Darmstadt wiederum hatte ihn engagiert, weil Woirgardt schon damals als Flamencogitarrist einen guten Ruf genoss. Dabei hatte er als Kind zunächst lieber Fußball gespielt, als auf der Gitarre zu klimpern, die als Geschenk unterm Weihnachtsbaum lag. Dennoch nahm er mit acht Jahren klassischen Unterricht, wurde Mitglied des Saarbrücker Gitarrenensembles und erregte die Aufmerksamkeit von Jiøí Jirmal, seinerzeit Professor an der Hochschule für Musik Saar, der ihn zunächst privat unterrichtete und bei dem er später auch sein Diplom als Musiklehrer machte.
Anschließend zog es ihn an die Wiener Musikhochschule, wo er sich noch während des Studiums auf Flamenco konzentrierte. „Rückblickend die richtige Entscheidung“, sagt Woirgardt. In Folge tourte er als hochdekorierter Gitarrist sowohl als Solist wie mit verschiedenen Ensembles durch Europa und Japan; er gastierte bei renommierten Festivals, war Gast- und Bühnenmusiker bei namhaften Orchestern und Bühnen. Heute liegt sein Schwerpunkt jedoch auf seinem kompositorischen Schaffen, das sich von Auftragskompositionen für klassische Ensembles und Solisten über Bühnenmusiken für Ballett bis zu Filmscores und Tanztheaterprojekten der freien Szene erstreckt (etwa Moving Theatre, Köln). Seit 2010 ist Woirgardt außerdem Co-Direktor der jüngst mehrfach ausgezeichneten zeitgenössischen Tanzkompanie Cooperativa Maura Morales. Trotzdem findet er gelegentlich Zeit, seine Eltern in Saarbrücken zu besuchen.
Zum Thema:
Auf einen BlickUraufführung des Balletts „Bernarda Albas Haus“ ist am Sonntag, 3. Mai, 18 Uhr, in der Alten Feuerwache. Weitere Vorstellungen im Mai sind am 8., 10. und 16. Mai. Beginn jeweils 19.30 Uhr, sonntags bereits um 18 Uhr. Karten über die Theaterkasse des Staatstheaters, Tel. (06 81) 30 92-486. www.theater-saarbruecken.de
Saarbrücker Zeitung 30.04.2015
Von Kerstin Krämer